2 Entgegnungen auf oft gehörte „linke“ Argumente
Posted by Clochard - 25. Januar 2018
Ich halte mich selbst für einen Menschen der politischen Mitte. Ich vertrete die Theorie, dass, je weiter man sich von der politischen Mitte wegbewegt, desto eher gewinnt Emotinalität und Ideologie die Oberhand während gleichzeitig Rationalität und das kritische Denken zunehmend verdrängt wird.
Ich strebe danach vernunftgeleitet zu urteilen und zu argumentieren, obgleich mir zur selben Zeit bewußt ist, dass dieses Ziel nie zu 100% erreichbar ist. Und aus diesem Grund strebe ich auch danach mir Argumente aller Seiten anzuhören und diese dann kritisch gegeneinander abzuwägen. Es liegt in der Natur der Sache, weil der Mensch nunmal als solcher unvollkommen ist, dass das nicht immer gelingt und man zuweilen in Fallen tappt. Zwei dieser Fallen, in die ich selbst bis vor kurzem selbst auch getappt bin, möchte ich heute besprechen.
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„Die Schere zwischen arm und reich wird immer größer“
Dieses Argument oder diese Tatsache wird sehr oft vorgebracht und auch in Medien oft thematisiert. Ich möchte einleitend kurz erkären, was dieser Satz in meinem Kopf für Bilder und Assoziationen hervorgebracht hat.
Habe ich diesen Satz früher gehört, so war in meinem Kopf ein Teil der Bevölkerung, nennen wir ihn „X“, der immer arm war und immer ärmer wurde. Gleichzeitig gab es einen konstanten Teil der Bevölkerung, der reich war und immer reicher wurde, nennen wir ihn „Y“.
Bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 10 war es also in meinem Kopf so, dass Herr und Frau Ritch zu Y gehören, die Ehepaare Middle, Median und Average dazwischen liegen und das Ehepaar Poor zu X gehört. Wenn nun behauptet wurde, dass die Schere wieder aufgegangen war, so ergab sich in meinem Kopf das Bild, dass Ehepaar Ritch wieder reicher geworden war, die Ehepaare Middle und Median gleich geblieben waren, das Ehepaar Average sich näher Richtung Armut bewegt hatte und Ehepaar Poor noch viel ärmer geworden war.
Aber es ist mitnichten so. Der Denkfehler, dem ich unterlegen bin war, dass ich einfach auf die soziale Mobilität vergessen habe. Umgelegt auf das obere Beispiel bedeutet das, dass nachdem einige Zeit vergangen ist, und die Schere zwischen arm und reich wiedermal weiter aufgegangen ist sich die Sache auch so darstellen kann: Ehepaar Average ist nun das Reichste, sogar reicher als das Ehepaar Ritch vorher, die Mitte bilden nun Ehepaar Poor, Ritch und Median, während Ehepaar Middle nun das Ärmste ist, vielleicht sogar ärmer als Ehepaar Poor vorher war.
Diese Darstellung löst das Problem zwar nicht (ich bin der Meinung ein immer weiteres auseinanderklaffen von arm und reich bringt tatsächlich eine Menge Probleme mit sich) aber es klingt auch nicht mehr so drastisch und drängend wie zuvor. Auf diese Tatsache bin ich auch nicht selbst gekommen, sondern durch Beschäftigung mit dem amerikanischen ökonomen Thomas Sowell. Ich bin weit davon entfernt mit Sowell in allen Punkten und Ansichten übereinzustimmen, dennoch ist es sehr interessant sich mit seinen Ansichten auseinanderzusetzen. Im Übrigen ebenfalls eine Eigenschaft, die meiner Ansicht nach proportional mit der Entfernung von der politischen Mitte abnimmt, wenn nämlich Emotion und Ideologie die Oberhand gewinnen….. Ein schönes langes Interview mit Sowell übrigens hier :
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In Gegenden mit vielen Migranten wählen die Leute weniger rechtslastig als in Gegenden mit wenig Migranten
Auch das ist ein oft gehörtes Argument. Frappierend oft der besondere Unterschied zwischen (Groß-)stadt und Land. Es wird der Eindruck erweckt, und ich nehme mich da nicht aus – dass man reservierter und ängstlicher gegenüber jenen Dingen ist, die man nicht so gut kennt. Dinge die man nicht kennt oder versteht machen oft Angst, das ist nur zu menschlich. Es wird daher der Eindruck erweckt, dass Menschen in Gegenden, wo nur wenig Migranten sind deswegen so wählen, weil so bloß Angst vor Etwas haben, dass sie nicht kennen. Die implizite Unterstellung lautet :
Würden diese Leute Migranten kennenlernen, sich auf sie einlassen, dann würden sie auch keine Angst mehr vor ihnen haben und auch nicht mehr rechts wählen
Ein weiterer bemerkenswerter Mann, Jonathan Haidt, hat mich erst auf eine ebenso naheliegende, wie einleuchtende Tatsache aufmerksam gemacht : Es ist im Großen und Ganzen nicht so, dass Menschen in bestimmten Gegenden linkslastig wählen und mit Migranten kein Problem haben weil Migranten dort sind, sondern es ist vielmehr so, dass die Menschen dorthin siedeln wo sie ein Umfeld vorfinden in dem sie sich wohlfühlen. D.h. im Rahmen der Binnenmigration ziehen Menschen, denen Heimat wichtig ist und die eine relativ homogene soziale Umgebung brauchen um sich wohlzufühlen eher aufs Land, Menschen die eher das Gegenteil suchen zieht es dagegen eher in die Stadt. In welchen gigantischen Dimensionen das stattfindet habe ich mir anhand Österreichs größter Stadt -Wien- näher angesehen. Die Binnenwanderungsstatistik der letzten Jahre sieht für Wien so aus :
Binnenwanderungsströme zwischen Wien und den Bundesändern seit 2002 Jahr Gesamt Zuzug nach Wien 2002 26751 2003 24590 2004 24905 2005 26016 2006 26988 2007 28778 2008 28370 2009 31129 2010 31255 2011 31629 2012 33780 2013 32320 2014 33764 2015 37175 Wegzüge aus Wien 2002 24861 2003 26136 2004 28784 2005 29242 2006 29116 2007 30580 2008 30729 2009 29190 2010 28970 2011 30211 2012 30587 2013 31951 2014 32741 2015 35932
Die Summen der Binnenwanderungsbewegung für die Jahre 2002 bis 2015 beträgt also für Wien 417450 Zuzüge und 419030 Wegzüge bei ca. 1,8 Mio Einwohnern. Auch wenn man auf jeden Fall in Rechnung stellen muss, dass es sich hier ganz sicher erst um eine Korrelation und noch keine Kausalität handelt und außerdem die Gründe für Wanderungsbewegungen von/nach Wien alles andere als monokausal sind, so muss man doch festhalten, dass innerhalb von knapp 13 Jahren fast ein Viertel der Wiener Bevölkerung ausgetauscht wurde.
Moritz said
-Die soziale Mobilität ist aber ziemlich gering.
-So zu tun, als würden Menschen in Gegenden mit geringer Migrationsquote keine Ahnung haben wie es sich in Gebieten mit hoher Quote anfühlt oder lebt ist noch viel grotesker dabei.
Es geht sogar in die andere Richtung, wer es nicht täglich hautnah selbst erlebt ist um so geschockter, wenn er so eine Gegend nur besucht und lehnt es erst recht ab.
Clochard said
Hallo Moritz,
zu Punkt 1 : das kommt mE darauf an wieviel soziale Mobilität man als „ausreichend“ oder „genug“ bezeichnet. Ich finde die Daten für Österreich gar nicht so schlecht :
Zitat :
Wie sich zeigt, existieren deutliche Spitzen im Mobilitätsgebirge in den jeweiligen Ecken. Personen deren finanzielles Auskommen sich im Alter von 14 Jahren als sehr schwierig gestaltete, verbleiben deutlich öfter in den unteren Einkommensquintilen.
Jene, die ein sehr leichtes Auskommen im Alter von 14 Jahren fanden, verfügen auch als Erwachsene über ein höheres Einkommen, sie befinden sich überdurchschnittlich oft im 5. Einkommensquintil.
So finden sich z.B. knapp 30% derjenigen, deren Familien mit 14 Jahren nur sehr schwer das Auskommen mit dem Haushaltseinkommen
fanden, im untersten Einkommensquintil, während lediglich knapp 9% dieser Gruppe im obersten Einkommensfünftel aufscheinen. Im Falle einer perfekten Gleichverteilung wären diese Prozentsätze jeweils 20%. Das Gegenteil lässt sich für jene Personen feststellen, deren finanzielles Auskommen sich mit 14 Jahren sehr leicht gestaltete. Während sich hier nur etwas mehr als 14% im untersten Ein-
kommensfünftel befinden, gehören fast 27% zum obersten Einkommensquintil. Diese Grafik zeigt hier also relativ deutlich die Unterschiede zwischen hohen und niedrigen Einkommen je nach sozioökonomischer Herkunft. Für jene Personen, deren finanzielles Auskommen sich mit 14 Jahren weder allzu schwer noch allzu leicht gestaltete, zeigt sich ein ausgewogeneres Bild. Diese Gruppen verteilen sich zwischen jeweils 17% und 23% ohne große Ausreißer nach oben wie nach unten.
Zitatende
Quelle : http://epub.wu.ac.at/3778/1/Lebens%2DIntergen_Mobilit%C3%A4t_01_13.pdf
Im Ergebnis heißt das also, dass knapp 70 Prozent des untersten EInkommensquintils in einer Generation den sozialen Aufstieg schaffen. Fast 10% von ihnen schaffen es gar in das höchste Quintil. Von „gering“ würde ich da nicht sprechen.